Wissenschaftliche Qualifizierung: Beitrag zur Produktivität und Produkt der Lebenswissenschaften
Es gibt eine Fülle an Kennzahlen, Indikatoren, Benchmarks, Rankings und Ratings, um die Leistungsfähigkeit in der Wissenschaft zu beurteilen. Sie vermitteln einen umfassenden Eindruck der Rahmenbedingungen, der verfügbaren Mittel und der erzielten Leistungen, ihrer Anschlussfähigkeit und Vergleichbarkeit. Die Indikatoren versäumen es allerdings häufig, den hervorgebrachten Ergebnissen die eingesetzten Ressourcen gegenüberzustellen und überhaupt ihre gegenseitigen Abhängigkeiten nachvollziehbar zu machen. Wie hängen Absolvent*innen, Drittmittel, Publikationen, Kooperationen, Promotionen, Patente etc. einer Universität miteinander zusammen? Und wovon hängen sie ab? Es genügt keinesfalls, den Output zu zählen. Ohne Input kein Output.
ELEWI folgt dem Konzept wissenschaftlicher Produktion, das den Input und den Output einer definierten Einheit beobachtet und sie miteinander in Beziehung setzt. Bei den Universitäten und ihren wissenschaftlichen Sub-Einheiten überlagern, beeinflussen und durchkreuzen sich Lehre, Forschung und Transfer. Die verschiedenen Produktionsprozesse interagieren und der Output des einen Prozesses fungiert bisweilen als Input eines anderen. Wenn bspw. aus Förderanträgen Drittmittel resultieren, mit denen Promovierende finanziert werden, die zuvor den Studienabschluss gemacht haben, dann werden mehrere Outputs in mehrere Inputs transformiert.
Ein wesentliches Merkmal des Wissenschaftssystems ist die wissenschaftliche Qualifizierung – an den Universitäten in Deutschland in einem besonderen Ausmaß. Ein großer Teil der Beschäftigten in Forschung und Lehre befindet sich in der Qualifizierungsphase, die zugleich die Beschäftigungsdauer begrenzt. Die Personalstruktur ist durch die hohe Zahl der Promovierenden und – im geringeren Umfang – der Postdocs geprägt. Die wissenschaftliche Qualifizierung ist ein stark verflochtener personeller Produktionsprozess mit einem zumeist klaren Ende. Die Promovierenden und Postdocs arbeiten in Forschung und Lehre mit, sie arbeiten an ihren eigenen Qualifizierungsarbeiten und sie verlassen als Promovierte oder anderweitig Qualifizierte die Universität. Sie sind zugleich Produzent*innen und Produkte der Wissenschaft.
ELEWI hat ein Modell der wissenschaftlichen Qualifizierung entwickelt, das die Verflechtungen und Rückkopplungen zwischen den Produktionsprozessen sowie den Leistungen der Wissenschaftler*innen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage soll untersucht werden, was die Beschäftigten für Forschung und Lehre an der Universität beitragen und was umgekehrt die Tätigkeiten im Rahmen der Beschäftigungsverhältnisse für die wissenschaftliche Qualifizierung beitragen.
Damit ist auch angedeutet, was die relevanten Indikatoren miteinander verbindet. Es ist die Arbeit oder genau: die Wissensarbeit, die für die Anträge, Projekte, Artikel, Promotionen etc. anfällt; und es ist das Personal, das mit den verfügbar gemachten Mitteln finanziert wird. Aus diesem Grund fokussiert ELEWI die Arbeitsproduktivität.
Unser empirisches Interesse gilt den Lebenswissenschaften. Denn sie verfügen über eine große Bandbreite unterschiedlicher Aufgabenbereiche, die ihre Notwendigkeit und Berechtigung haben. So gehen wir vor:
- Zunächst wollen wir die Tätigkeiten in den verschiedenen Aufgabenbereichen erheben und sie zu Tätigkeitsprofilen der Lebenswissenschaften verdichten. Dazu gehören auch die Wechselwirkungen zwischen der Arbeit im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses (mit seinen Inputs und Outputs) sowie der Qualifizierung (mit ihren eigenen Inputs und Outputs). Wechselwirkung bedeutet an dieser Stelle, dass der Output des einen Prozesses teilweise in den anderen Prozess einfließt (und teilweise nicht). Die erforderlichen Daten erheben wir bei den Promovierenden und Promovierten aus den Lebenswissenschaften.
- Wenn wir wissen, wie die Teilprozesse im jeweiligen Tätigkeitsprofil interagieren, werden wir die beschriebenen Tätigkeitsprofile miteinander vergleichen. Wir möchten analysieren, wie sich die Wechselwirkungen auf die Produktivität der wissenschaftlichen Qualifizierung insgesamt auswirken. Dafür nehmen wir ökonometrische Modellierungen und Berechnungen vor.
- Schließlich vertiefen wir einige Aspekte des Modells und der Befunde in qualitativen Fallstudien. Dies können z. B. die Unterschiede zwischen bestimmten Tätigkeitsprofilen, das Verständnis für einzelne Inputs und Outputs oder auch Folgefragen zum Verhältnis von Beschäftigungsverhältnis und wissenschaftlicher Qualifizierung sein.
In den vorherigen Projektphasen von ELEWI haben wir die Produktivität in den Lebenswissenschaften auf verschiedene Weise betrachtet. Mit Daten der amtlichen Hochschulstatistik (Personal mit unterschiedlicher Finanzierung, Studierende, Abschlüsse) und mit bibliometrischen Daten (Publikationen, Zitationen) haben wir uns z. B. einen Überblick über die Agrarwissenschaften und die Biologie an den deutschen Universitäten verschafft. Die Analyse von Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Beiräten hilft dabei, fundierte Einschätzungen zum bislang wenig betrachteten Bereich des Wissenstransfer zu erhalten.
ELEWI ist ein Kooperationsprojekt zwischen HIS-HE und dem Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie an der TU München. Die Arbeitsschritte der Teilprojekte greifen kontinuierlich ineinander. Der Schwerpunkt von HIS-HE liegt bei den qualitativen Fragestellungen der Modellierung und der Variablen sowie bei der Anbindung an die Hochschulforschung. Das Projekt an TUM legt den Schwerpunkt auf die quantitativen Fragestellungen und auf die ökonometrischen Aspekte der Modellierung und Berechnung.
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Kooperationspartner an der TU München
Projektmanagement
Dr. Georg Jongmanns
Dr. Björn Möller
Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert (Förderkennzeichen für HIS-HE: 01PU17006B); Bildquelle: bmbf.de