Die Gewinnung herausragenden wissenschaftlichen Personals, insbesondere von Professorinnen und Professoren, ist ein zentrales Instrument zur Steuerung und Profilbildung von Hochschulen. Vom Erfolg der Berufungsverfahren hängt sowohl das fachliche Renommee als auch die Entwicklung einer Hochschule ab und sichert eine hohe Qualität in Forschung und Lehre. Es liegt daher im Interesse einer jeden Hochschule, eine Optimierung und Professionalisierung der Berufungsverfahren zu fördern. Die zentrale Zielsetzung von Berufungsverfahren ist es, die am besten für die Wahrnehmung der zukünftigen Aufgaben geeignete Person festzustellen, unabhängig von Geschlecht.
Aktuelle Forschungserkenntnisse belegen jedoch, dass bei der Auswahl der einzuladenden BewerberInnen, der Begutachtung und Bewertung der individuell erbrachten Leistungen der WissenschaftlerInnen sowie die Auswahl der ListenkandidatInnen zahlreiche genderspezifische Mechanismen wirken. Diese werden sowohl bewusst als auch unbewusst eingesetzt und verringern die Chancen von Frauen, am Ende des Berufungsverfahrens tatsächlich auf eine Professur berufen zu werden. Auch wenn die Transparenz des Ablaufs von Berufungsverfahren in den letzten Jahren weiter zugenommen hat, bietet sich an vielen Stellen im Verfahren die Möglichkeit, durch informelle Aktivitäten Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen.
Zielsetzung
Die Zielsetzung der beteiligten Hochschulen war es, Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die eine konsequente Berücksichtigung von Gleichstellungsaspekten in Berufungsverfahren ermöglichen und damit die Chancengleichheit von Frauen in Berufungsverfahren steigern.
Teilziele des Projekts waren:
- die Optimierung und Professionalisierung von Berufungsverfahren,
- die Erarbeitung und Weiterentwicklung verbindlicher Qualitätsstandards,
- der Erhalt von Anregungen für Verfahrensregeln sowie zur Gestaltung von Berufungsordnungen und ähnlicher Standards,
- die aktive Gestaltung des Wandels durch Einbringen eigener Erfahrungen und Vorantreiben des Lernprozesses.
Projektdesign
Eingebettet in die “Dialoginitiative Gleichstellung und Qualitätsmanagement an niedersächsischen Hochschulen” wurde 2009 unter Beteiligung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK), des Vorstands der Landeshochschulkonferenz Niedersachsen (LHK) und des Vorstands der Landeskonferenz Niedersächsischer Hochschulfrauenbeauftragter (LNHF) das Benchmarking-Verfahren “Qualitätssicherung in Berufungsverfahren unter Gleichstellungsaspekten” mit Unterstützung durch die HIS GmbH durchgeführt. In diesem Rahmen haben sieben niedersächsische Universitäten und Hochschulen ihrer Berufungsprozesse eingehend analysiert und Maßnahmen fü,r die Sicherung von Qualität und Gleichstellung in Berufungsverfahren ausgearbeitet.
Im Rahmen moderierter Workshops, deren Konzeption, Durchführung und Dokumentation der HIS GmbH oblag, wurden die Praktiken in Berufungsverfahren an den beteiligten Hochschulen erfasst und unter Qualitäts- und Gleichstellungsaspekten verglichen, analysiert und bewertet. Über formale Strukturbeschreibungen hinaus wurde die gelebte Praxis in Berufungsverfahren näher beleuchtet. Es wurden Maßnahmen sowie Empfehlungen und Standards für “good practice” in Berufungsverfahren erarbeitet. Im Rahmen des Benchmarking-Verfahrens bot sich die Gelegenheit, das Erfahrungswissen der Beteiligten zu erfassen und darauf basierend konkrete Handlungsempfehlungen zu formulieren.
Am Projekt nahmen Gleichstellungsbeauftragte und Berufungsbeauftragte der folgenden Hochschulen teil:
- Technische Universität Carolo-Wilhelmina Braunschweig
- Georg-August-Universität Göttingen
- Leibniz Universität Hannover
- Leuphana Universität Lüneburg
- Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
- Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften
- Universität Vechta
Im Rahmen des Benchmarking-Verfahrens wurde von HIS eine prozessorientierte Herangehensweise gewählt. Zur Erarbeitung der Ergebnisse wurde folgendes Methodenspektrum eingesetzt:
- Prozessanalyse von Berufungsverfahren und Ermittlung üblicher Verfahrensabläufe von Berufungen
- Erfahrungsaustausch hinsichtlich guter und schlechter Praktiken bei der Durchführung von Berufungsverfahren. Der Austausch richtete sich vor allem auf sog. “lessons learned” und daraus abgeleitete Empfehlungen, die auch für andere Hochschulen beispielhaft und als Referenz für gute Verfahren dienen können
- Erarbeitung von Kriterien für qualitativ hochwertige Berufungsverfahren, die die Kombination von Aspekten der Gleichstellung mit Kriterien zur Ermittlung wissenschaftlicher Exzellenz von KandidatInnen in Einklang bringen
Das Projekt wurde im Zeitraum zwischen Juli 2009 und März 2010 durchgeführt. Visuelle Abbildungen der Berufungsprozesse bildeten dabei die Grundlage für die Erfassung, Analyse und Bewertung der formalen Strukturen und informellen Prozesse in Berufungsverfahren. Fallbezogene Betrachtungen sowie die Erhebung von Wirkungen und Ergebnissen waren ein weiterer Schwerpunkt des Projektes. Im Fokus standen stets sowohl Qualitäts- als auch Gleichstellungsaspekte, die untrennbar miteinander verwoben sind. Wesentliche Ergebnisse des Benchmarking-Projekts sowie die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen sind in der im Nachgang erschienenen Ergebnisdokumentation zusammengefasst.
Veröffentlichungen
Projektmanagement
Dr. Harald Gilch