Tagungsrückblick 2. HIS Forum Hochschulbau 2010
Bei diesem lebhaften Diskurs hilft ein Blick auf nüchterne Zahlen und das bauliche Gesamtkonzept. Hierbei wird deutlich: Durch Bologna sind weniger bauliche Maßnahmen nötig als häufig vermutet.
Studierende „nutzen Brückenzeiten effektiv“ und verbringen heute mehr Zeit an der Hochschule, kommentiert Dr. Elke Middendorff von der HIS GmbH die kürzlich erschienene 19. Sozialerhebung. Danach fallen durchschnittlich jeweils 18 Stunden für den Besuch von Vorlesungen und das Selbststudium an. Mit insgesamt 36 Stunden pro Woche studiert die jetzige Generation allerdings nicht länger als Studierende in den 1990er Jahren.
Gleichwohl werfen die mit der Bologna-Reform verbundenen strukturellen Veränderungen in den Studiengängen bauliche Fragen auf: Wie können die Hochschulen die Plätze für nunmehr zwei Abschlussarbeiten im Bachelor und Master stellen, insbesondere in experimentell arbeitenden Studiengängen wie Chemie oder Biologie? Ziehen die curricular verankerten Anteile an Selbststudium einen tatsächlichen Mehrbedarf an studentischen Arbeitsplätzen nach sich?
Bauabteilungen sehen sich im Zuge von Bologna mit einer langen Liste an baulichen Veränderungswünschen aus verschiedenen Bereichen ihrer Hochschulen konfrontiert. Die Mittel indes sind beschränkt. Umso wichtiger ist die Klärung der Frage, welche baulichen Maßnahmen tatsächlich notwendig und sinnvoll sind.
Die HIS GmbH bot vergangene Woche mit einer Tagung unter dem Titel „Bauen für Bologna? – Veränderungen des Flächen- und Raumbedarfs durch Bachelor- und Masterstudiengänge“ Raum zur Diskussion. Zum Erfahrungsaustausch waren überwiegend Teilnehmende aus den Bauabteilungen und Leitungen von Hochschulen genauso wie Vertreterinnen und Vertreter aus Ministerien eingeladen.
Der quantitative und qualitative Flächenmehrbedarf durch Bologna ist nach Erfahrung der HIS GmbH aus vergangenen Flächen- und Auslastungsuntersuchungen an Hochschulen überschaubar. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass die vorhandenen Hörsäle und Seminarräume noch längst nicht so optimal genutzt sind, wie sie eigentlich genutzt werden könnten“, erklärt Dr. Bernd Vogel, Leiter des Arbeitsbereiches Bauliche Hochschulentwicklung der HIS GmbH.
So erlebt auch Dr. Martin Mehrtens von der Universität Bremen, der an seiner Hochschule mit der funktionalen Ausstattung und Bewirtschaftung betraut ist, die Reform weniger als ein Gesamtflächenproblem als vielmehr eines der Strukturen und Auslastung. Auf der Tagung lieferte Dr. Mehrtens einen Erfahrungsbericht über die baulichen Anforderungen durch Bologna. Nach seiner Beobachtung sind die mit der Bologna-Einführung erwarteten „Mammutveranstaltungen“ ausgeblieben. Deshalb würden größere Hörsäle die Probleme an den Hochschulen nicht lösen.
Jede Hochschule muss für ihre baulichen Fragen eine individuelle Lösung finden. Bislang haben die Universitäten und Fachhochschulen mit recht unterschiedlichen räumlichen Konzepten auf Bologna reagiert: Einige Einrichtungen schaffen zentrale Lernzentren für das Selbststudium. Andere setzen auf multimediale und flexibel trennbare „atmende“ Lehr- und Lernräume, so wie beispielsweise die Universität Bremen. Angereichert um pädagogische Konzepte ließe sich hierdurch auch die Qualität der Lehre verbessern.
„Der Hochschulbau“, meint Marcelo Ruiz von der HIS GmbH, müsse durch Bologna allerdings „nicht neu erfunden werden.“ Hochschulen sollten mit ihren vorhandenen Flächen kreativ umgehen, bevor sie Neubauten mit erheblichen Folgekosten in Erwägung ziehen: Hilfreich ist ein Blick auf das Gesamtkonzept von studentischen Arbeitsplätzen. So werden z. B. für neue Bachelorarbeiten in den experimentellen Fächern zwar durchaus mehr Laborplätze notwendig, dafür sinkt in der Regel aber auch die Zahl der erforderlichen Praktikumsplätze. Entsprechend relativiert sich der tatsächliche Mehrbedarf an vielen Orten der Hochschule, wenn alle verfügbaren Flächen einmal integriert betrachtet werden.
Die Diskussion machte klar, dass viele der beklagten Bologna-Probleme eher eine Frage der Organisation als der Räume sind. Ein stärkerer Austausch verschiedener Interessengruppen, etwa von Bauplanern und Studienplanern, über die vorhandenen Ressourcen könnte die Situation zukünftig noch weiter verbessern. Um den tatsächlichen Flächenbedarf an einer Hochschule erfassen zu können, sind tiefer gehende Auslastungs- und Organisationsanalysen und sehr feine Analyseinstrumente notwendig. Die HIS GmbH bietet Hochschulen entsprechende Untersuchungen an.